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Fragen an einen Seelsorge-pro: Interview mit Helga Wickenhöfer

08.02.2023

Fragen an einen Seelsorge-pro: Interview mit Helga Wickenhöfer

Sie war jahrzehntelang die Stimme der Herzlichkeit am Telefon des Hochschul-SMD-Sekretariats. Diese Stimme wusste sie schon damals nicht nur für organisatorische Klärungen einzusetzen. Als hessische Frohnatur und begeisterte Seelsorgerin hilft sie bis heute Menschen in der Sortierung so mancher Lebensprüfung.

Doch lest hier exklusiv selbst, was Helga zum Thema Seelsorge sagt!

Helga, was geht dir als Erstes durch den Kopf, wenn du das Wort Seelsorge hörst?  

Leichter leben. Das ist das erste, was mir in den Sinn kommt.  

„Leichter leben“ − das klingt attraktiv! Etwas, das du selbst erleben durftest und seither erleichterst du andere seit vielen Jahren als Seelsorgerin… 

Genau. Oder anders gesagt: Ich helfe anderen leichter durchs Leben zu gehen. Das heißt Ballast abzuwerfen, Schwierigkeiten loszuwerden und Bindungen oder was auch immer man so mit sich rumschleppt im Leben, hinter sich zu lassen. Es geht mir darum das alles loswerden zu können, um freier als Christenkind durch die Gegend zu laufen. 

Was begeistert dich an Seelsorge, an diesem „leichter leben“? 

Also am meisten begeistert es mich − auch wenn ich mein eigenes Leben angucke −, dass bei Jesus Dinge möglich sind, die ich mir nicht vorgestellt hätte. Dass du innerlich heil werden kannst durch die Begegnung mit Jesus und durch die Liebe Gottes. Denn bei ihm gibt es keine unlösbaren Probleme oder hoffnungslosen Fälle, wenn ich mich darauf einlasse. Und mich begeistert natürlich auch, dass ich selber ganz viel mit dazu beitragen oder tun kann, um heiler zu werden. Aber am meisten begeistert mich nach wie vor in der Beziehung mit Jesus zu spüren, dass er Wege zeigt, um heil zu werden am inneren Menschen. Und das in einer Weise, die ich mir nie hätte vorstellen können. 

Ich stelle es mir als ein Privileg vor, genau das als Seelsorgerin mitzubekommen: Knoten platzen und Leute erfahren wirklich Veränderungen. 

Ja, das ist natürlich ein Highlight, wenn Menschen wirklich Dinge loswerden und loslassen können oder Jesus hinlegen oder auch selber Vergebung aussprechen oder in Anspruch nehmen können. Das ist natürlich etwas superschönes. Das passiert nicht in jedem Seelsorgegespräch, aber wenn das passiert, ist das natürlich etwas Tolles! 

Einer der ungebetenen Dauergäste in Gesprächen ist doch dieses kleine Scheißerchen namens Angst, oder?  

Ja, das ist schon so… 

Und nun richten wir uns ja gerade an tolle junge Leute im Studium, die davon sicher auch immer mal betroffen sind – vielleicht gerade aktuell im Blick auf die Prüfungszeit. Was sagts du Leuten, die Angst haben oder ängstlich sind?  

Naja es gibt zunächst unterschiedliche Ebenen, wo die Angst andockt. Da kann helfen die Angst zu analysieren und mal genau hinzugucken, wovor genau ich Angst habe und woher diese Angst kommt. Häufig haben Ängste ihren Ursprung in der Kindheit. Sei es in einem schrecklichen oder dramatischen Erlebnis oder einfach darin, dass man irgendetwas mal abgespeichert innerlich hat, was einem Angst gemacht hat und man hat es nie erklärt bekommen oder auflösen können. Das sind ganz häufig Ursachen: Wir legen uns Verhaltensweisen zu, weil wir irgendeine Situation aus der Angst heraus bewerten und nicht auflösen. Und wenn wir sie aufgelöst haben, dann löst sich in der Regel auch die Angst mit auf. Das sind so innerseelische Dinge. Und Ängste manifestieren sich auch oft im Körper. Herzrasen, Magenschmerzen, Luftnot, Schweißhände … wie auch immer. Heißt: Auch der Körper speichert Angst ab und da kann man sich z. B. gut mit Atemübungen helfen. Mir hilft es immer sehr, wenn ich mir bewusst mache, dass Gott um mich herum ist. Ich bin eingehüllt in seine Liebe und ich atme mit jedem Atemzug Gottes Liebe ein und die drückt alle Angst raus. Die Bibel spricht davon, dass Gott die Liebe ist und davon, dass wo die Liebe regiert, die Angst keinen Platz hat. So hilft es mir Gottes Liebe einzuatmen und alle Angst mit der Liebe Gottes aus mir rausströmen zu lassen. Und wenn ich das verinnerlichen kann und auch in akuten Situationen in irgendeiner Form anwenden kann, dann wird der Körper ruhiger. Oder was ich auch anwende, nennt sich Akkupressur-Klopftherapie (EFT). Kann man im Internet nachlesen und oder in Büchern finden. Das ist nichts Esoterisches, sondern eine rein körperliche Hilfe diese Akupressurpunkte, die man im Gesicht um die Augen herum zum Beispiel hat, abzuklopfen. Das nutzen auch Sportärzte oder Mentaltrainer. Mir hilft es die Punkte in dem Bewusstsein abzuklopfen, dass ich ein geliebtes Kind Gottes bin, das jetzt zwar gerade Angst hat, aber gegen diese Angst klopfe ich an. Also nicht beschönigen, sondern klopfen und ich merke dann, wie Blutdruck und Atem sich normalisieren. Das ist also ein rein körperlicher Ansatz, der dann aber natürlich auch auf die Seele einen Effekt hat, denn wir sind ja eins mit Körper, Geist und Seele.  

Und schon wieder wird „etwas leichter“! 

Ja absolut! Und ein dritter Aspekt ist, dass es sehr hilfreich sein kann mir zu sagen: „Was hängt jetzt von diesem Prüfungsergebnis ab? Hängt da mein Wert von ab? Was bedeutet das für mich?“ Es hilft zu analysieren, wer meinen Wert bestimmt. Schmälert es meinen Wert, wenn ich jetzt eine Prüfung verhaue? Eben nicht! Und dann kann man natürlich auch das Thema Glaubenssätze anschauen. Das ist auch so ein Schlagwort, das in der Psychologie verwendet wird. Also die Frage: Welche Sätze prägen mein Denken und mein Leben? Oder eben auch: Welche Kindheitserlebnisse und Kindheitserfahrungen stecken dahinter? Wie werte ich Worte meiner Eltern oder Worte meiner Lehrer für mich? Das zu durchschauen hilft wirklich sehr. 

Und es hilft die Angst nicht krampfhaft zu verstecken. Manchmal schwinden Angst und Unsicherheiten auch schon, wenn ich authentisch damit umgehe. In der Prüfung kann das bedeuten zu sagen: „Ich stehe gerade auf dem Schlauch. Können Sie die Frage nochmal wiederholen?“  

Oder ablenken und zur Prüfungskommission sagen: „Das ist wirklich eine gute Frage, aber ebenso interessant erscheint mir der Aspekt, dass…“ Aber Spaß wieder beiseite: Das Gute ist ja, dass wir nicht permanent in irgendwelchen Prüfungssituationen stecken. Wieso lohnt sich Seelsorge auch in den milden Zwischenphasen des Lebens?  

Meist geht man ja dann erst zur Seelsorge, wenn einem irgendwas auf die Füße fällt oder wenn innerlich irgendwo Stress ist. Aber ich finde, dass Seelsorge bzw. ein Gespräch zu suchen mit jemandem immer hilfreich ist – auch oder gerade dann, wenn es mir eigentlich gut geht. Denn dann hätte ich ja eigentlich Kapazitäten mal in Ruhe genau hinzuschauen und mich kennenzulernen. Also präventiv zu schauen, wie ich in bestimmten Situationen ticke, um mich selber zu reflektieren und zu analysieren und zu lernen.  

Mal angenommen, es gäbe Leute, die jetzt sehr motiviert sind, sich seelsorglich begleiten bzw. „erleichtern“ zu lassen. Wo lassen sich Seelsorgerinnen und Seelsorger finden? 

Zunächst gibt es verschiedene christliche Organisationen und Ausbildungen, die Seelsorge anbieten. Auf den Webseiten kann man oft nach Postleitzahlen suchen und schauen, wen es da so gäbe. Und auch in Gemeinden gibt es zunehmend tolle Angebote. Im Zweifel einfach beim Pfarrer nachfragen, ob er Ideen und Leute hat. Und dann sind da noch verschiedene Beratungsstellen, die oft kostenfrei sind. Beim Diakonischen Werk oder bei der Caritas oder auch anderen. Selbst wenn die Leute dort vielleicht eine andere Frömmigkeit haben, habe ich selber gute Erfahrungen gemacht. Denn manchmal hilft es einfach jemanden zu haben, mit dem man reden kann und ein Gegenüber zu haben, das gute Fragen stellt. Ich empfehle keine Schau zu haben an „komische Leute“ zu geraten. Wenn man betend auf der Suche nach jemandem ist, merkt man denke ich schnell, ob es passt oder nicht passt. Das klingt jetzt ein bisschen „fromm- daher-geredet“, aber ja, ich erlebe, dass sich immer wieder die richtigen Leute finden.  

Und auch über die SMD lassen sich natürlich Seelsorgegelgenheiten vermitteln. 

Aber ja! Über Regionalreferentinnen und -referenten oder die Gruppenbegleiter z. B. lohnt es sicher auch sich zu erkundigen. Auch in der Akademiker-SMD gibt es sicher viele gute Leute dafür!  

Liebe Helga, vielen Dank für diesen tollen Überflug zum Thema Seelsorge. Ich wünsche dir viele weitere tiefe Begegnungen mit Menschen, die Erleichterung erfahren!  

Dankeschön!  

Die Fragen stellte Frithjof Zeltwanger